Liebe Gardai,
nochmal ein ganz herzliches Dankeschön: Thanks a million!
Ihr seit wirklich nette Leute. Gut, ihr habt mich eine Stunde in der Kälte und im strömenden Regen stehen lassen und mich nicht zurückgerufen. Aber es sei euch verziehen.
Dafür habt ihr Ina und mich ja in eurem schicken Zivilfahrzeug mitgenommen. Ich kam mir vor wie im Fernsehn: Zwei grauhaarige freundlich schauende aber dennoch Autorität ausstrahlende Gardai und zwei kleine hilflose Mädchen. Ihr saht schon wichtig aus und euer Funkgerät hat auch geknarrt.
Ich habe mich gleich angeschnallt nach dem Einsteigen, denn es waren immerhin 53m bis zu meinem Fahrrad. Ihr habt das nicht gemacht. Es waren ja nur 53m bis zumeinem Fahrrad.
Mein Fahrradschloß habt ihr dann in der Rekordzeit von 0,5 Sek geknackt. Gut, war ja auch nicht schwer, mit dem richtigen Gerät. Aber trotzdem toll... Leider ward ihr genauso schnell auch wieder weg. Ich konnte kaum Danke sagen. Und ich hätte mich so gerne noch ein bißchen länger wie in einem Fernsehkrimi gefühlt.
Danke, daß ihr nicht einmal überprüft habt, ob das wirklich mein Rad ist. Ich fühle mich geehrt von so viel Vertrauen. Aber ich weiß ja: Ihr seid auch die einzigen Polizisten, die unbewaffnet Streife laufen. Ihr seid wahre Freunde!
Danke, daß ihr mein Fahrradschloß geknackt habt.
Danke für das Krimifeeling.
Nur mit euren Jungspunden solltet ihr wirklich nochmal reden. Ich habe ganz schön nasse Füße bekommen.
Liebe Grüße
Johanna
Inselsitzerin - 8. Dez, 18:41
Das mit dem Advent ist hier so eine Sache... So langsam glaube ich, das ist eine deutsche Erfindung, denn wo auch immer ich hinkomme oder mit Menschen welcher Nationalität auch immer ich spreche,niemand kennt den Advent. Ich bin trotzdem pünktlich am Sonntag zu meinen Weihnachtsgutseln gekommen und der ein oder die andere hier hat sich auch mit einfachen Mitteln einen schnuckeligen Adventskranz gebastelt um dem Bedürfniss nach heimatlichem Brauchtum Befriedigung zu verschaffen.
Ja, wir haben am Sonntag gebacken und 5 Stunden lang bei Ina die Küche blockiert. Wir wurden dabei verwundert, ja fast mißtrauisch beäugt aber das was dann dabei Eßbares herauskam, hat Inas nichtdeutsche Mitbewohner am Ende anscheinden doch überzeugt. Das habe ich jetzt schon öfter erlebt: Wir erzählen von unseren Weihnachts- und Adventsbräuchen, man schaut uns mit großen Augen an, ist fasziniert und neugierig. Am Ende sprechen die mampfenden Münder beim Verzehr von Spekulatius und Lebkuchen für sich.
Wir leben hier weitestgehend unseren gewohnten Advent und es ist fast erschreckend auf wie wenig "Gegenwehr" wir stoßen. Oder besser gesagt, wie wenig Gegenentwürfe uns von den Iren geboten werden. Wenn man hier über den Eyre Square läuft und die Shopstreet hinunter schländert unterscheidet sich die Weihnachtsdekoration nur durch den sich darin manifestierenden hohen Grad an schlechtem Geschmack (ich weiß: über Geschmack kann man nicht streiten, dennoch möchte ich das ganz subjektiv so bezeichnen)von der jeder beliebeigen deutschen Stadt. Grünzeug und tausende kleine Lichter über der Einkaufsstraße, glitzernde Weihnachtsbäume, BLAUE Lichterketten in kahlen Baumkronen und ein mit kleinen Glühbirnchen bombadierter Weihnachtsmann an einen Baumstamm gefesselt. Bei mir ums Eck ziert ein schön gebundener Kranz die Haustür, vom Dachkandel hängen rundherum kleine Lichter und aus jedem Fenster blinkt es oder schaut einen eine Weihnachtsfigur an. Wenn ich schonmal bei Weihnachtsfiguren bin: In einem kleinen Ort ca. eine halbe Stunde mit dem Auto von Galway hatte ich das Glück, einen Laden zu entdecken, der Weihnachtsdeko verkauft. Ausergwöhnliche Weihnachtsdeko. Man könnte auch sagen überlebensgroße aufblasbare Schneemänner und Weihnachtsmänner, blinkende Rentierschlitten und was der Mensch sonst noch nicht braucht um sein Haus zu dekorieren. Das Problem: Das sehen die Iren scheinbar nicht so. Ich muß zugeben, daß iritiert mich. Ein Land, das vor zehn Jahren noch nicht viel hatte begeht jetzt mit solch einem Pomo und Glitzer Weihnachten? Das alles erinnert mich doch sehr an Kevin allein zu Haus und die blinkenden Hollywood-Ami-Häuser. Oder eben auch an Deutschland. Vielleicht auch an England.
Um meiner Verwirrung beizukommen habe ich mich auf die Suche nach der irischen Weihnacht gemacht. Welche Traditionen, welche Bräuche? Was ich da erntete war leider nur ein ratloses Achselzucken. Mmh, ja, viele Iren hätten heutzutage einen Weihnachtsbaum (der auch gerne schon 4 Wochen vor Weihnachten im Wohnzimmer steht). Adventskalender gäbe es inzwischen auch zu kaufen. Aber ansonsten... Nächster Versuch: Geschenke. Ja, Geschenke...eigentlich wäre das bei ihnen nie so üblich gewesen, daß man sich was schenkt. Aber jetzt irgendwie schon. Zum Glück fällt einem dann doch noch was ein: Sie würden immer Truthahn essen.
Ich hatte nicht erwartet, wenn man alle amerikanischen und europäischen Einflüsse und Modeerscheinungen wegstreicht, so wenig zu finden. Was ist den nun die irische Weihnacht??? Ich hatte erwartet, wenigstens auf ein stärkeres religöses Interesse am Weihnachtsfest vorzufinden. Dem ist jedoch leider auch nicht so. Da ist einfach so... ein großes Nichts. Wenn mir wenigstens jemand sagen würde: Weihnachen war für uns noch nie so wichtig. Ostern ist wichtiger, als Jesus für uns gestorben ist. Oder: Bei uns wurde da nie viel Rummel gemacht. Hauptsache die Familie ist zusammen.
Das alles macht mich recht nachdenklich und fast auch ein bißchen traurig. Irland hat in sehr kurzer Zeit eine umfassende Entwicklung und Wandlung durchgemacht. Die Iren haben zur Zeit so viel Geld, die wissen gar nicht wohin damit. Hier wird alles verkauft, was Geld bringt und alles gekauft, was man mit Geld erwerben kann. Und dabei scheint diese Land Gefahr zu laufen, sich selbst zu verlieren. Das eigene traditionelle Verhältnis zu Weihnachten scheint hier niemand zu reflektieren und die Adaption anderer Traditionen wirkt auf mich wahrlos.
Das ist meiner Meinung nach symptomatisch für das derzeitige Irland. Prinzipiell wäre alles ein normaler Vorgang: Neues entsteht und Altes gerät in Vergessenheit. Normalerweise aus dem Bedürfnis heraus, etwas zu verändern, gegen etwas aufzubegehren oder weil sich etwas, in welcher Hinsicht auch immer, als besser erweist. Das schließt mit ein, das man eine Wahl trifft, sich für und gegen etwas ausspricht, Position bezieht. Das Irland, das ich hier erlebe tut dies nicht. Es wankt von einer gegebenen Option zur nächsten, nimmt mit was es kriegen kann und hat offensichtlich keine Ahnung, was es mit sich selbst anfangen soll. Das Geld ist da, die Möglichkeiten sind da, aber noch nicht die Fähigkeit, damit umzugehen.
Ein paar Tage habe ich noch, bevor ich für meine Weihnachten in die Heimat fliege. Bis dahin werde ich Augen und Ohren offen halten. Vielleicht begegnet mir noch jemand oder etwas, was mich eines Besseren belehrt! Vielleicht finde ich noch irische Weihnachten. Nicht zwangsläufig traditionell aber irisch. Hoffentlich!
Inselsitzerin - 8. Dez, 02:04